Interview von Dan Kersch mit dem Luxemburger Wort

Dan Kersch: "Wir erleben mit der Einführung des Einsatzleitsystems in der Tat eine kleine Revolution."

Interview: Luxemburger Wort (Marc Schlammes)


Marc Schlammes: Im Oktober werden neue Gemeinderäte gewählt. Inwieweit können die Wahlen mit mancherorts neuen Gemeinde- und Schöffenräten die Umsetzung der Reform beeinflussen?

Dan Kersch: Überhaupt nicht. Wir haben in diesem Dossier einen großen, überparteilichen Konsens, was die Notwendigkeit der Reform angeht. Daran ändern die Wahlen nichts.

Marc Schlammes: Die Wahlen könnten indes die Investitionen zugunsten der Rettungsdienste beeinflussen. Wird es Ihrerseits eine Empfehlung an die Parteien geben, in den Wahlprogrammen von Investitionsversprechen abzusehen?

Dan Kersch: Es liegt nicht an mir, den Parteien Ratschläge zu erteilen. Ich überlasse es dem einzelnen Kommunalpolitiker, die Entscheidung zu treffen, die er für richtig hält. Wir haben bereits vor ein paar Jahren mit dem Moratorium bei der Bezuschussung von Löschfahrzeugen und Feuerwehrwachen ein Signal gegeben. Nun liegt es an dem Einzelnen, ob er noch eine Investition in Eigenregie durchzieht oder aber das Etablissement public abwartet.

Marc Schlammes: Über den Investitionsbedarf dürfte ohnehin das rezent durchgeführte Inventar Aufschluss geben...

Dan Kersch: ... bei dem sich herausgestellt hat, dass Luxemburg bei seinen Gebäuden und seinem Fuhrpark mit rund 900 Feuerwehrfahrzeugen ganz gut aufgestellt ist und den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht. Dort besteht definitiv nicht das Hauptproblem.

Marc Schlammes: Als problematisch erachtet der Staatsrat indes die Übergabe von Fuhrpark und Wachen an das CGDIS.

Dan Kersch: Wir tragen den Anmerkungen des Staatsrates Rechnung und sind bestrebt, bei den Gebäude- und Materialtransfers innerhalb von zwei Jahren die notwendigen Konventionen zwischen CGDIS und Gemeinden abzuschließen. Bei der Preisgestaltung wollen wir landesweit die gleichen Kriterien anwenden, die sich an der Funktionalität orientieren. Auch deshalb macht das Inventar Sinn, weil wir nun wissen, welches Material absolut unverzichtbar ist und was in geringerem Maße benötigt wird.

Marc Schlammes: Klärungsbedarf sieht der Staatsrat auch bei der Rolle der Bürgermeister.

Dan Kersch: Deshalb schlagen wir vor, ähnlich wie bei der Polizei, dass der Bürgermeister die Befugnis erhält, Rettungskräfte und Einsatzmaterial des CGDIS anzufordern. Damit tragen wir seiner gesetzlich verankerten Verantwortung für die Sicherheit in seiner Gemeinde Rechnung.

Marc Schlammes: Wobei die territoriale Frage bei Einsätzen keine Rolle mehr spielt?

Dan Kersch: Wir erleben mit der Einführung des Einsatzleitsystems in der Tat eine kleine Revolution. Wichtig ist nicht mehr, von wo Hilfe kommt, sondern dass Hilfe so schnell und effizient wie möglich erfolgt. Die Entscheidung liegt nunmehr bei der Notrufzentrale 112, jene Einsatzkräfte zu mobilisieren, die am besten helfen können. Das kann auch weiterhin die lokale Feuerwehr sein. Aber nicht zwangsläufig.

Marc Schlammes: Damit einher geht, dass sich freiwillige Helfer über ihre Gemeinde bzw. ihre Feuerwehr oder ihr Einsatzzentrum hinaus engagieren dürfen.

Dan Kersch: Wenn die Freiwilligen weiterhin die Basis unserer Rettungsdienste bilden sollen, müssen wir ihnen auch ein Umfeld bieten, in dem sie ihr Engagement in den Dienst ihrer Mitmenschen stellen. Wer bereit ist, die vorgeschriebenen Ausbildungen zu durchlaufen und wer bereit ist, das Erlernte auch anzuwenden, der soll dies auch in einem möglichst breit abgesteckten Rahmen tun dürfen. Das ist keine Pflicht, aber es ist ein Chance, vorhandenes Potenzial und Wissen optimal zu nutzen.

Marc Schlammes: Inwieweit ist es denn realistisch, die Reform mit dem vorhandenen Reservoir an Freiwilligen umzusetzen?

Dan Kersch: Mittelfristig benötigen wir mehr hauptamtliche Helfer. Wir kommen aber nicht umhin, weiter auf das Benevolat zu setzen. Zum einen ist ein Modell, das ausschließlich auf professionellen Rettungskräften aufbaut, weder für den Staat noch für die Gemeinden finanzierbar. Zum anderen fehlt es auch ganz einfach an ausreichend Personal.

Marc Schlammes: Und daraus schlussfolgern Sie ...

Dan Kersch: ... dass wir eine gangbare Lösung auf die Frage finden müssen, wie professionell das System sein soll. Wobei professionell sich für mich auf die Ausbildung beziehen muss, nicht auf das Statut. Die Ausbildung ist das A und 0 der Reform.

Marc Schlammes: Wie soll diese Lösung im Alltag aussehen, damit der Freiwillige den Spagat zwischen Beruf, Familie und Rettungsdienst samt Ausbildung schafft?

Dan Kersch: Wir müssen unsere Ausbildung anders gestalten und für mehr Flexibilität sorgen - ohne dabei qualitative Abstriche zu machen. Die Qualität ist heute gar nicht schlecht, und sie soll nicht weniger anspruchsvoll werden. Wir sollten jedem Freiwilligen, der motiviert und bereit ist, sich fortzubilden, die Chance auf eine angemessene Ausbildung geben. Also müssen wir diese Ausbildung an seine Lebenssituation anpassen. Das ist auch eine Frage der Chancengleichheit gegenüber hauptamtlichen Helfern. Wir müssen die Ausbildung zu den Freiwilligen bringen. Wir können es uns nicht erlauben, ein enormes Potenzial an Kräften nicht auszuschöpfen, weil unser Ausbildungsmodell zu starr ist.

Marc Schlammes: In der Vergangenheit haben es die Rettungsdienste aber auch verpasst, das Potenzial an weiblichen und ausländischen Helfern auszuschöpfen. Ich kann mir dieser Tage z. B. vorstellen, die portugiesischen Mitbürger für die Rettungsdienste zu gewinnen. Gerade nach den verheerenden Waldbränden ist eine enorme Solidarität erkennbar. Wenn wir nun also in Portugal unsere Hilfe anbieten und sich Partnerschaften bilden, sollten wir nicht verpassen, hierzulande Überzeugungsarbeit zu verrichten. Wir sollten die Lage aber nicht nur negativ sehen. In meinen Augen wird eine exemplarische Jugendarbeit verrichtet, die den Einsatzzentren zugutekommt ...

Marc Schlammes: ... und von der die Jugendlichen selbst profitieren, tun sich ihnen doch neue Berufsperspektiven auf.

Dan Kersch: Es ist in der Tat eine flotte und eher rare Aussicht, sein Hobby zum Beruf machen zu können. Deshalb war es uns auch wichtig, eine Laufbahn zu schaffen, die dem Vergleich mit anderen staatlichen Karrieren, ob bei der Armee, der Polizei oder beim Zoll, standhält.

Marc Schlammes: Die Planungen sehen 600 bis 800 Stellen über die nächsten Jahrzehnte vor. Wie sieht es mit den bisherigen Rekrutierungsbemühungen aus?

Dan Kersch: Im Laufe des Jahres sollen 50 weitere Stellen besetzt werden, so dass wir dann über 140 Rettungskräfte bei der staatlichen Administration des services de secours verfügen. Hinzu kommen die rund 180 Berufsfeuerwehrleute der Stadt Luxemburg sowie fast 50 professionelle Einsatzkräfte am Flughafen. Das ist also schon weit mehr als ein guter Anfang.

Marc Schlammes: Und wie steht es um das Ausbildungsniveau? Angestrebt werden sollen die Standards der hauptstädtischen Berufsfeuerwehr.

Dan Kersch: Wir haben in den zurückliegenden zwei Jahren enorme Anstrengungen unternommen, damit die professionellen Helfer jenen Ausbildungsstand erreichen, den wir uns aufgrund der Reform erwarten, sowohl für den Bereich Feuerlöschwesen als auch für den Bereich Rettungs- und Sanitätsdienst. Wir haben uns gewissermaßen eine „Win-Win"-Situation erarbeitet durch die Kooperation mit der hauptstädtischen Feuerwehr ...

Marc Schlammes: ... die ja nun von Beginn an dem CGDIS beitritt ...

Dan Kersch: ... wobei es für mich schwer nachvollziehbar war, dass es über Jahre keine entsprechenden Gespräche zwischen Intérieur und Stadt Luxemburg gab. Dass die Berufsfeuerwehr nun sogar auf die erst vorgesehene Übergangsphase verzichtet, hat damit zu tun, dass wir bei der Administration des services de secours mit unserem Weg der Professionalisierung überzeugen konnten. Auch kommen die personellen Garantien dem hauptstädtischen Feuerwehrdienst entgegen, beispielsweise dass künftig jede ihrer Schichten mit 24 Einsatzkräften besetzt ist.

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