Reform der Rettungsdienste

"Wir sprechen hier nicht mehr von Zusammenarbeiten, wie es mancherorts heute schon der Fall ist, sondern von Zusammenführung"

Interview: Luxemburger Wort (Marc Schlammes)

Luxemburger Wort: Wie soll Luxemburgs Rettungswesen zum Ende der Legislaturperiode aussehen?

Dan Kersch: Wir wollen die künstliche Trennung zwischen Protection civile und Freiwilligen Feuerwehren überwinden und zusammenführen, was zusammengehört. Unsere große Ambition ist die Schaffung eines Établissement public, mit dem Gemeinden und Staat den Rettungsdienst in Luxemburg gemeinsam organisieren, verwalten und finanzieren.

Luxemburger Wort: Bis dahin muss sowohl die zeitlich inhaltliche als auch die finanzielle Hürde überwunden sein.

Dan Kersch: Der Zeitplan sieht vor, dass der Ministerrat den Gesetzentwurf zum Établissement public vor der Sommerpause verabschiedet. Sowohl mit dem Syvicol als auch mit der Stadt Luxemburg, die als einzige Gemeinde eine Berufsfeuerwehr unterhält, wurden bereits Beratungen geführt. In Kürze folgen der Feuerwehrverband und der Weisenrat der Protection civile, um auch den Ansprüchen der Akteure selbst Rechnung zu tragen.

Luxemburger Wort: Bei der Unterredung mit dem Syvicol dürfte die Kostenfrage ein zentraler Punkt gewesen sein.

Dan Kersch: Dessen war ich mir als ehemaliger Syvicol-Vorsitzender bewusst. Wir schlagen folglich auch eine partnerschaftliche Finanzierung vor, bei der sowohl der Staat als auch die Gemeinden 50 Prozent der Kosten tragen. Die Kosten für das Rettungswesen belaufen sich derzeit auf rund 60 Millionen Euro, wobei die Kosten, die der Staat trägt, 42 Prozent ausmachen, derweil die Gemeinden sich die restlichen 58 Prozent teilen. Mittelfristig werden die Betriebskosten auf 80 bis 85 Millionen Euro geschätzt, wobei der Anteil der Gemeinden anhand der Einwohnerzahl festgelegt wird. Das bedeutet für beide Partner ein Ausgabenplus; dafür gelingt uns mit der Reorganisation der notwendige Qualitätssprung im Rettungswesen.

Luxemburger Wort: Die Schaffung des Établissement public wird dennoch nicht alle Probleme lösen.

Dan Kersch: Das Établissement public schafft aber die strukturelle Voraussetzung, um bestehende Defizite auszumerzen. Wir würden die Diskussion nicht führen, wenn heutzutage alles reibungslos funktionieren täte. Denken Sie nur an Krankenwagen, die nicht besetzt sind. Genauso wenig wird ab dem Tag, wo das Établissement public seinen Betrieb aufnimmt, alles reibungslos ablaufen. Man muss den Akteuren letztlich die Chance geben, in die neue Struktur hineinzuwachsen, sich damit zu identifizieren. Wir sprechen hier nicht mehr von Zusammenarbeiten, wie es mancherorts heute schon der Fall ist, sondern von Zusammenführung. 

Luxemburger Wort: Bleibt die Frage, wie das Ganze seinen territorialen Niederschlag finden soll.

Dan Kersch: Zum einen muss man den Faktor Zeit spielen lassen. Zum anderen werden die Standorte, ab denen ein professionalisierter Rettungsdienst geleistet wird, nach wissenschaftlichen und landesplanerischen Kriterien definiert. Darüber hinaus empfehlen wir den Gemeinden heute schon, Einsatzzentren gemeinsam zu bauen. Unter dem Strich stehen wir vor zwei Herausforderungen: Einerseits die kulturellen und gesellschaftlichen Wurzeln der lokalen Feuerwehren, die ein gewachsener Bestandteil des Dorflebens sind, erhalten, und andererseits.ein regionales, zeitgemäßes Korps- und Einsatzdenken entwickeln. Anders ausgedrückt: Im operationellen Alltag werden die Gemeindegrenzen keine Rolle mehr spielen.

Luxemburger Wort: Sie reden von einem professionalisierten Rettungsdienst. Rund 50 hauptamtliche Helfer gewährleisten heute bereits den Bereitschaftsdienst. Wie viele zusätzliche Einstellungen werden notwendig sein?

Dan Kersch: Da die Regierung an der Sicherheit ihrer Bürger nicht spart, beschloss sie als Sofortmaßnahme die Schaffung von je zwölf zusätzlichen Posten 2014 und 2015. Als Planwert für das Établissement public wird zurzeit mit jährlich 20 zusätzlichen Stellen bis 2018 gerechnet, darunter auch Ausbilder und Ingenieure. Gerade dieser Punkt zeigt aber die Grenzen des heutigen Modells auf: Es war eine Notoperation der damaligen Regierung, um eben die Besetzung der Krankenwagen aufrechtzuerhalten. Wesentlich ist nun mit Blick auf das Établissement public, dass diese hauptamtlichen Helfer so ausgebildet werden, dass sie in der neuen Struktur einsatzbereit sind. Derzeit entspricht ihre Formation der eines Freiwilligen.

Luxemburger Wort: Auf die Ausbildung legen Sie fortan einen ganz besonderen Wert.

Dan Kersch: Sie ist der Dreh- und Angelpunkt der Reorganisation. Wir wollen uns mit der Ausbildung am heutigen Niveau der Berufsfeuerwehr orientieren. Nur so können wir Menschen in Not eine effiziente Hilfe gewährleisten. Für mich ist ein Prinzip ausschlaggebend: Jeder Helfer darf mitmachen, ob Freiwilliger oder Hauptberuflicher, unter der Voraussetzung, dass er die vorgesehenen Formationsstufen absolviert hat.

Luxemburger Wort: Manche Gemeinde hat sich mit der Einstellung von Personal geholfen, deren Aufgabenbereich die Sicherheit und Vorbeugung ist.

Dan Kersch: Auch hier ist die Idee, diese Beschäftigten im Établissement public zu übernehmen. Aus Sicht der Gemeinden ergibt es keinen Sinn, in die neue Rettungsstruktur zu investieren und gleichzeitig Leute einzustellen und zu bezahlen, die eine Art Parallelarbeit verrichten. Die Übernahme bedingt eine angemessene Ausbildung. Mit Blick auf die Gemeinden ist auch angedacht, dass die Prävention künftig via Établissement public abgedeckt wird.

Luxemburger Wort: Die Freiwilligen werden mit einem bzw. vier Euro entschädigt. Da Sie nicht als Befürworter der Regelung gelten: Wird es in Zukunft andere Formen der Anerkennung geben?

Dan Kersch: Ich bleibe dabei: Die Entschädigung ist keine gute Idee. Damit verlassen wird das Terrain des Ehrenamtes und werden in der Bevölkerung ganz anders wahrgenommen. Die Akzeptanz bei den Bürgern wird eine andere, wenn sie es mit Freiwilligen zu tun haben, die bezahlt werden. Wobei aus Sicht der Freiwilligen hinzu kommt, dass diese Beträge in keinem Verhältnis zu ihrem Engagement stehen und im Vergleich mit Entschädigungen in einzelnen Sportarten geradezu lächerlich sind. Wenn das Établissement public bis steht, müssen sich dort Gedanken über Alternativen wie Pensionsansprüche, Sonderurlaub oder Spezialkurse gemacht werden.

Luxemburger Wort: Auffallen tut, dass Protection civile und Feuerwehren verpasst haben, bei der stetig wachsenden ausländischen Bevölkerung Aktive anzuwerben.

Dan Kersch: Ich gehe sogar noch weiter: Der freiwillige Helfer in Luxemburg ist ein luxemburgischer Mann. Es muss uns also gelingen, die Ausbildung sowohl sprachlich als auch organisatorisch dahin gehend zu organisieren, dass das Rettungswesen für ausländische Mitbürger und für Frauen ein attraktives Freizeitengagement darstellt.

Luxemburger Wort: Zumindest über fehlendes oder nicht zeitgemäßes Material können sich die Rettungsdienste nicht beklagen. Wie soll der Fuhrpark im Établissement public verwaltet werden?

Dan Kersch: Das Établissement public soll entscheiden, welches Material für welche Gegend des Landes erworben wird, auf der Grundlage des jeweiligen Gefahrenpotenzials. Wir stellen heute nämlich fest, dass wir landesweit überausgerüstet sind und dass bei der Organisation des Fuhrparks nicht koordiniert gehandelt wurde. Nachbargemeinden kauften die gleichen Tanklöschwagen, um den Wünschen ihrer Wehren gerecht zu werden. Dieser Druck auf die Bürgermeister wird in Zukunft wegfallen.

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