Interview mit Taina Bofferding in der Revue

"Work in Progress"

Interview: Revue (Daniel Baltes)

Revue: Wie bewerten Sie den Umgang mit dem Hochwasser?

Taina Bofferding: Grundsätzlich hat der Krisenumgang dargelegt, dass die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ministerien, Verwaltungen und Akteuren gut funktioniert. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass Luxemburg ein kleines Land ist. Da sprechen wir nämlich immer über kurze Wege. In diesem Kontext möchte ich mich auch gerne bei den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen bedanken, die sehr engagiert und kooperativ reagiert haben. Dazu kommt natürlich das CGDIS, wo alles irgendwie Mögliche mobilisiert wurde. Alles in Allem ist diese reibungslose Koordination zwischen all den einzelnen Akteuren wie CGDIS, Polizei, Armee, Wasserwirtschaftsamt, Meteolux, CREOS, HCPN (Haut-Commissariat à la protection nationale) hervorzuheben.

Revue: Welche Rolle spielen in dieser Zusammenarbeit die Freiwilligen?

Taina Bofferding: Eine enorm wichtige Rolle! Das ist auch eine der großen Stärken unseres Landes. Wir leben von einer riesigen Solidarität zwischen Nachbarn, innerhalb der Gemeinden und darüber hinaus, darauf können wir stolz sein. Diese spür- und während des Hochwassers erkennbare Solidaritätswelle lässt unser kleines Land ganz groß wirken.

Revue: Es haben sich also keine Probleme in der Krisenbewältigung aufgetan?

Taina Bofferding: Doch und so ehrlich muss man in der Bewertung dann auch sein. Es ist in der Aufarbeitung solcher Vorkommnisse immer entscheidend, auch die weniger guten Aspekte hervorzuheben. In diesem Fall ist das die Alarmierung der Bevölkerung, hier gibt es sicherlich Optimierungspotenzial. Natürlich wurde auch dieses Mal informiert, aber z.B. die App "Gouv Alert" ist dann doch relativ schnell an ihre Grenzen gestoßen.

Die Hochwasserkrise hat uns gezeigt, dass wir in diesem Bereich zukünftig eine Strategie über mehrere Kanäle brauchen, die sowohl die neuen, digitalen, als auch die traditionellen Kommunikationswege umfasst. Wir arbeiten auch aktuell bereits an der Frage, wie wir andere Technologien, wie beispielsweise ein SMS- oder Push-Nachricht-System einsetzen können, um dieses teils schwerfällige App-System zu ergänzen.

Revue: Richten wir den Blick auf das CGDIS. Wie zufrieden sind Sie, nach dieser ersten richtigen Krise, mit der CGDIS-Reform von 2018?

Taina Bofferding: Vorweg würde ich gerne nochmal unterstreichen, dass auch vor 2018, also vor dem CGDIS, jeder Einsatz abgewickelt werden konnte. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass wir ohne Reform einer derartigen Katastrophe komplett chancenlos ausgesetzt gewesen wären. Das große Ziel dieser Jahrhundertreform war die Bündelung aller Akteure aus dem Rettungswesen. Die Funktionalität dieser Zusammenlegung wurde aller-ding bereits vor dem Hochwasser, unter anderem bei mehreren Großbränden 2018 oder dem Tornado 2019, auf die Probe gestellt. Sowohl diese Ereignisse als auch das Hochwasser haben die Wichtigkeit eines starken nationalen Akteures, der alle Rettungskräfte vereint und somit eine schnelle und effiziente nationale Koordination erlaubt, unterstrichen. Allerdings ist, selbst wenn wir bemerken, dass die Kernidee des CGDIS gut funktioniert, der Reformprozess noch längst nicht abgeschlossen. Da geht es unter anderem um die Frage nach den Mitteln insbesondere in Bezug auf das Personal und die Infrastrukturen, die das CGDIS braucht, um sich auch künftig derartigen Herausforderungen stellen zu können. Es geht darum, das CGDIS in Bezug auf die Resilienz so performant wie möglich für die Zukunft aufzustellen.

Revue: Und wie soll die Antwort auf diese Frage nach den Mitteln lauten?

Taina Bofferding: Die Antwort darauf ist der PNOS, der nationale Rettungsorganisationsplan. Das ist sozusagen der Masterplan, der Kompass, der die Entwicklungsrichtung des CGDIS vorgibt. Das ist ein mehr als 500-seitiges Dokument, in dem ganz genau beschrieben ist, wie wir in Zukunft all diese Herausforderungen meistern wollen. Hier sei auch erwähnt, dass diese Antwort natürlich mit einem finanziellen Aufwand einhergeht. Es ist nicht so, dass man diese erkennbaren Risiken, etwa durch Naturkatastrophen, zum Nulltarif in den Griff bekommen könnte.

Revue: Sie haben die Gefahr der Naturkatastrophen angesprochen. Wird diese omnipräsente Gefahr von der Gesellschaft hierzulande ernst genug genommen?

Taina Bofferding: Spätestens mit dem rezenten IPCC-Klimabericht dürften auch die letzten Skeptiker überzeugt worden sein, dass auch wir immer mehr mit unterschiedlichen Naturkatastrophen konfrontiert werden. Als Regierung haben wir ja auch einen sehr ambitionierten Klimaplan, um diesen vom Menschen provozierten Klimawandel einzudämmen. Die Umsetzung dieses Planes setzt natürlich eine Unterstützung aus der Gesellschaft voraus. Diese ist unter anderem in den jungen Generationen deutlich zu erkennen. Wir sind mittlerweile an dem Punkt angekommen, an dem niemand sich der Diskussion um die Klimaproblematik mehr verschließen kann. Klimawandel ist real!

Revue: Und wie sieht es in der Politik aus?

Taina Bofferding: Im PNOS werden die Risiken von Naturkatastrophen durchaus ernst genommen. Wir können keine Diskussion zur nationalen, zivilen Sicherheit führen, ohne auch die Risiken von Naturkatastrophen zu bedenken. Allen voran die Prävention spielt hier eine wichtige Rolle. Es geht darum, dem CGDIS die richtigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um so schnell und adäquat wie möglich zu reagieren. Das CGDIS muss resilient aufgestellt sein!

Revue: Sie erwähnen immer wieder die Resilienz. Was genau verstehen Sie darunter?

Taina Bofferding: Ich rede gerne von einer resilienten Gesellschaft, also einer Gesellschaft, die widerstandsfähig ist. Dabei geht es nicht nur um das CGDIS, sondern auch um die Privatperson und den Unternehmer, die selbst auf mögliche Ereignisse vorbereitet sein sollten. Es geht darum, auf sämtlichen Ebenen nicht länger reaktiv, sondern antizipativ zu handeln. Und schlussendlich aus Geschehnissen die richtigen Lehren zu ziehen und beim Wiederaufbau zu berücksichtigen ("build back better").

Revue: Und das CGDIS hat nach ihrer Auffassung durch die Reform an Resilienz gewonnen?

Taina Bofferding: Auf jeden Fall. Die Vereinheitlichung der Organisation hat einen großen Teil dazu beigetragen, dass interkommunal und national einfacher, schneller und effizienter agiert werden kann. Allerdings, und das muss immer wieder erwähnt werden, ist der Reformprozess noch nicht abgeschlossen — es ist und bleibt ein laufender und dauerhafter Optimierungsprozess.

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