"Die Mediatorin"

Interview von Taina Bofferding im Tageblatt

Interview: Tageblatt (Wiebke Trapp)

Tageblatt: Die Fusionen sollen weitergehen. 116 Gemeinden sind auf 102 reduziert. Das Wunschziel sind 70. Was machen Sie mit Gemeinden, die nicht "heiraten" wollen?

Taina Bofferding: (lacht) Ich werde sie nicht dazu zwingen. Mir ist die Freiwilligkeit wichtig. Dazu stehe ich. Die Bevölkerung soll entscheiden. Im Moment laufen die Gespräche mit den fünf Gemeinden der "Nordstad". Wir im Innenministerium werden bei dieser Fusion helfen, wo wir können.

Tageblatt: "Nordstad" ist ein gutes Stichwort. Wie wichtig ist dieser Zusammenschluss für das Land?

Taina Bofferding: Die betreffenden Gemeinden arbeiten ja schon länger zusammen. Sie haben bewiesen, dass es geht. Aus Sicht des Ministeriums ist dieser "Pole" wichtig, damit wir den Norden weiterentwickeln können.

Tageblatt: Wo wir schon bei den Regionen sind: Sind die Kantone, die die vier Wahlbezirke bilden, noch zeitgemäß? Es gibt ja wechselwillige Gemeinden, Beispiel Leudelingen und Kopstal.

Taina Bofferding Bei Leudelingen habe ich meine Zweifel, ob die Bürger das wirklich wollen. Der Schöffenrat hat ja ganz klar Position bezogen, das Referendum wurde abgelehnt. Ich verfolge die Entwicklungen sehr genau. Im Koalitionsabkommen ist zwar nichts vorgesehen, aber wenn der Bedarf da ist, müssen wir auch darüber diskutieren. Was ist, wenn wir nur noch einen Wahlbezirk haben? Das wird die entscheidende Frage werden.

Tageblatt: Aus Kopstal gibt aber es klare Signale...

Taina Bofferding: Das stimmt. Aber einen Gesetzestext zu ändern ist das eine, eine Verfassungsänderung ist wesentlich schwieriger. Das heißt aber nicht, dass wir das ignorieren.

Tageblatt: Kommen wir zu den Gemeinden. Welche Rolle sollen sie im großen Ganzen zukünftig spielen? Sie sind die erste Anlaufstelle für die Bürger...

Taina Bofferding: Das, was hier aus dem Innenministerium kommt, ist die Reform des Gemeindegesetzes. Das geltende Gesetz hat 30 Jahre "auf dem Buckel". Die Gemeinden sind in der Zwischenzeit gewachsen, sie haben neue Aufgaben. Ich sehe das neue Gesetz als große Chance, ihre Rolle neu zu definieren. Wir wollen helfen, den legislativen Rahmen dafür zu finden.

Tageblatt: "Maison relais", Sporteinrichtungen oder Kultur sind fakultative Aufgaben der Gemeinden, Sie können, müssen aber nicht. Ist das noch zeitgemäß? Die Realitäten sehen doch längst anders aus ...

Taina Bofferding: Das ist richtig. Ich persönlich finde, wenn wir jetzt das alte Gesetz auf den Kopf stellen, müssen wir uns auch fragen: Was sind die sozialen Aufgaben von Gemeinden? Was können sie leisten? Was müssen sie leisten? Auch da muss mit dem neuen Gesetz ein legislativer Rahmen her.

Tageblatt: Die Trennung von "députe" und "maire" steht zur Diskussion. Was bedeutet die Trennung der Mandate im politischen Alltag?

Taina Bofferding: Es ist wichtig, dass wir im Parlament Politiker sitzen haben, die die Gemeinden kennen und wissen, wo dort der "Schuh drückt".  Es darf nicht sein, dass wir im Parlament Gesetze verabschieden, die dann vor Ort nicht umgesetzt werden können. Damit ist niemandem geholfen. Wie die Gemeinden eingebunden werden, steht noch nicht fest. Eine "Extra-Chamber" für Gemeindevertreter oder ein Senat oder der Syvicol (Verband der Gemeinden, Anm. d. Red), der mehr Rechte bekommt — da ist vieles denkbar.

Tageblatt: Das Syvicol will mehr Rechte und mehr Gewicht. Ist das Syndikat bislang ein "zahnloser Tiger", dem man zwar freundlich zuhört, aber nicht mehr?

Taina Bofferding: Nein. Für mich, ist das Syvicol ein extrem wichtiger Partner. Gerade bei der Reform des Gemeindegesetzes sind sie für mich sogar ein privilegierter Partner.

Tageblatt: Der "député-maire" ist für die Arbeit der Gemeinden freigestellt. In den allermeisten Gemeinden müssen die Bürgermeister ihre Arbeit in 20 Stunden "congé politique" erledigen. Geht das noch auf?

Taina Bofferding: Ich habe bereits gesagt, ich bin bereit, darüber zu diskutieren. Diese Mandatsträger melden sich ja freiwillig, um ihre Arbeit für die Gemeinde zu machen. Dann müssen sie auch genug Zeit haben, um das zu machen. Wir wollen noch mehr Leute aus dem Privatsektor dafür gewinnen. Dann muss der gesetzliche Rahmen es aber auch einfacher machen, diese Personen freizustellen und es muss über die Anzahl der Stunden nachgedacht werden.

Tageblatt: Die Gemeinden fordern mehr Autonomie darin, wie sie sich organisieren. Das betrifft das Personal. Sehen Sie das auch so?

Taina Bofferding: Genau deshalb machen wir die Reform. Diese Fragen sollen behandelt werden. Was muss vom Innenministerium genehmigt werden, was nicht? Was macht Sinn? Ich glaube, da sind wir uns auch ganz schnell einig mit den Gemeinden. Verschiedenes muss vereinfacht werden. Vor allem die Angelegenheiten, die den "intérêt national" betreffen.

Tageblatt: Dem Land eilt der Ruf voraus, dass jeder jeden kennt. Wie wird Vetternwirtschaft kontrolliert?

Taina Bofferding: Wir haben Gesetze hier im Land, deren Einhaltung vom Innenministerium kontrolliert wird. Und jeder Gemeindepolitiker hier im Land trägt Verantwortung dafür, wer in der Gemeinde eingestellt wird.

Tageblatt: Vieles geht zwischen Innenministerium und den Gemeinden noch auf Papier hin und her. Müsste da nicht auch etwas passieren?

Taina Bofferding: Absolut. Ziel des neuen Gemeindegesetzes ist es, dass der Austausch zukünftig "papierloser" wird. Da ist viel zu tun.

Tageblatt: Die Gemeinden klagen über langwierige Genehmigungsverfahren. Bei Verkehrsreglementen sind gleich zwei Ministerien beteiligt. "Doppelt gemoppelt", sagen viele. Sie auch?

Taina Bofferding: Da müssen wir schauen, wie wir die Prozedur vereinfachen können, um den Gemeinden entgegenzukommen. Nichtsdestotrotz hat das Innenministerium aber eine Überwachungsfunktion gegenüber den Gemeinden. Das wollen wir nicht aufgeben.

Tageblatt: Viele Gemeinden arbeiten gerade mit Hochdruck am neuen Bebauungsplan (PAG). Im November läuft die Abgabefrist aus. Das Koalitionsabkommen sieht Sanktionen vor ...

Taina Bofferding: Fakt ist: Alle Änderungen am PAG, die nach dem 1. November eingereicht werden, werden nicht mehr berücksichtigt. Außerdem sind finanzielle Sanktionen vorgesehen. Ich werde die Frist auch nicht verlängern. Aber die zuständige Abteilung schaut gerade, wo es hapert und wie wir den Gemeinden als Ministerium helfen können.

Tageblatt: Sie haben sich viel Arbeit vorgenommen. Schaffen Sie das überhaupt in einer Legislaturperiode?

Taina Bofferding: (lacht) Ich gebe mir viel Mühe und bin motiviert, das zu schaffen. Mein Team ist übrigens genauso motiviert.

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